Sternenschatten by Sergej Lukianenko

Sternenschatten by Sergej Lukianenko

Autor:Sergej Lukianenko
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2010-11-13T23:00:00+00:00


»Wie mir das alles zum Hals raushängt …«, flüsterte Schnee. »Ich bring’s nicht fertig, von hier wegzugehen … das käme mir wie Verrat vor. Es weiter auszuhalten, aber auch nicht …«

Ich brachte die Delta vorsichtig etwas nach unten. Über dem Sumpf hängend, starrte ich in den braunen Matsch. Schnee hatte mein Manöver schweigend beobachtet.

Der Schlamm wimmelte von Leben. Er bedeckte nicht nur die Oberfläche, sondern reichte tief hinunter, Dutzende, Hunderte von Metern, und klammerte sich unten am Grund fest. In dem Geflecht von Fäden und Stricken krochen allerlei Schatten herum. Winzige orangefarbene Krebse, die von der über ihnen schwebenden Maschine in Panik versetzt worden waren, wuselten über die Oberfläche und tauchten in den Matsch. Es wimmelten Klumpen von Würmern, farblose, als seien sie aus Höhlen herausgekrochen. Transparente, geleeartige flache und schlüpfrige Wesen schlängelten sich durch den Dreck.

»Wunderschön, nicht wahr?«, fragte Schnee ironisch.

»Ja«, gab ich zu. In dem Wirrwarr fremden Lebens lag tatsächlich eine eigene Schönheit – eine ekelhafte, aber faszinierende Schönheit, etwa wie Kieferklauen oder Kiefertaster bei Spinnen, Tentakeln bei Quallen und Facettenaugen bei Insekten.

»Die Grünen fressen dieses Gewürm«, teilte mir Schnee mit. »Diese Kröte im Gefängnis würde beispielsweise mit allergrößtem Appetit eine Handvoll von diesen Würmern verputzen. Du kannst ja ein paar sammeln und sie ihr mitbringen.«

Er lachte. Ich zog die Delta wieder nach oben.

»Glaub nicht, dass ich immer so zynisch bin«, sagte Schnee. »Aber das alles … das gehört in ein Naturschutzgebiet. Aber das ist doch nichts für Menschen. Wenn die Grünen keine Menschen sein wollen, sollen sie andere wenigstens nicht daran hindern. Oder nicht?«

Die geleeartigen Viecher fielen mir wieder ein. Das Gewusel der Würmer.

Früher hätte man hier wahrscheinlich herrliche Bootstouren machen können. Angeln, im glasklaren Wasser schwimmen, seine Freundin bewundern, die sich sonnte …

»Stimmt.«

»Du hast mir von Anfang an gefallen«, gestand Schnee mit überraschender Wärme. »Ehrlich. Entschuldige, dass ich dich verdächtigt habe …«

»Vergiss es.«

»Nein, es tut mir wirklich leid … Da kommen sie, Pjotr!«

In seiner Stimme lag ein solcher Ekel, als habe Schnee selbst gerade eben eine Handvoll Würmer gegessen.

Vier Maschinen der Grünen flogen – auf ihrer Seite der Grenze – den blauen Streifen ab. Sie waren doppelt so groß wie unsere, aber gröber und massiver.

Ich hatte sie ja schon im Fernsehen gesehen, entweder in dem Dokumentarfilm oder in den Rekonstruktionen, und meiner Ansicht nach entsprachen die echten Maschinen ihnen absolut. Im Moment betrachtete ich sie allerdings nicht mit meinem Menschenblick.

Sie hatten mehr von einem tierischen Organismus als von einer Maschine. Runde, nach Bewegung gierende pfeilförmige Körper. Ein voluminöser Bauch, wie bei einem Biertrinker. Die auf elastischen Aufhängungen sitzenden Triebwerke standen vom Körper ab. Ein amorpher Auswuchs bildete das Cockpit. Und jede Maschine zog einen Schweif aus schäumender Flüssigkeit hinter sich her.

»Sie säen«, informierte mich Schnee knapp.

Die Maschinenkörper vibrierten deutlich, während sie die feine Suspension ausstießen. Der Wind wehte in Richtung Stadt, ergriff die Suspension geradezu spielerisch und trieb sie über den blauen Streifen.

»Schnee …«

»Das ist in Ordnung. Verdammt, ich meine natürlich, das ist nicht in Ordnung … Aber das Wetter hat keinen Einfluss auf den Grenzverlauf. Das wurde so vereinbart.



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